Seltsame Vorlieben

Nr. 6 einer Artikelreihe über die Ernährung

 

 

Es war Anfang des 20. Jahrhunderts, als der Wiener Kinderarzt Clemens von Pirquet Überempfindlichkeitsreaktionen des Organismus auf körperfremde Stoffe als Abwehr­reaktionen des Immunsystems erkannte 1. Er nannte solche Reaktionen Allergien (er bildete das Wort aus dem grch. „allos“, anderer + „orgon“, Tätigkeit, Werk): eigent­lich also „das Werk von Fremdeinflüssen“ - im Unterschied zu den normalen Reaktio­nen des Organismus.

Als Allergene (wie „Helene“: vom grch. „genes“, hervorbringend; zu „gennai“, erzeu­gen, hervor­bringen + Allergie) bezeichnen wir seither Stoffe, die solche Reaktionen auslösen können. Ein bekanntes Allergen ist Blütenpollen als Auslöser von Heu­schnupfen. Letz­terer ist dann die Allergie.

Lebensmittelallergene sind Allergene, die in Lebensmitteln vorkommen können. Kuhmilch ist das klassische Lebensmittelallergen überhaupt. Kuhmilch und Weizen sind die Lebensmittelallergene Nummer eins und zwei bei Menschen, Hunden und Katzen 2.

 

Die Muttermilch der Kühe

Kuhmilch besteht aus Wasser, Proteinen (Eiweißen), Fetten, Kohlenhydraten und einer ganzen Reihe von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen: eigent-lich also eine sehr gehaltvolle Flüssigkeit 3.

Das Problem mit der Kuhmilch ist, dass es für den Menschen artfremde Milch ist; und das hat ausschließlich mit den Proteinen der Milch zu tun 3, 4. Kuhmilch beinhaltet, ebenso wie Ziegenmilch und Schafsmilch, ungefähr 25 Proteine, die allesamt allergen sind (als Allergene wirksam werden können).

Milchallergien werden hauptsächlich bei Kindern festgestellt 4. Die grundlegenden Symptome sind Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall und Koliken. Es kann aber auch zu Anzeichen einer allgemeinen Anaphylaxie kommen (Anaphylaxie: vom grch. „ana-“, gemäß, entsprechend + „phylaxis“, Schutz: eine schockartige Reaktion des Immun­systems); das Spektrum reicht von leichten Hautausschlägen über Störungen von Organ­funktionen und Kreislaufschocks bis hin zum tödlichen Kreislaufversagen. Bei Erwachsenen werden Milchallergien selten diagnostiziert 4. Anders als bei Kindern kommen Symptome des Magen-Darm-Trakts selten alleine vor; gewöhnlich sind sie mit Atmungs- und Hautproblemen verbunden.

Milchallergien lassen sich durch den Nachweis bestimmter Antikörper im Blut bele­gen 3, 4. Sie werden von weißen Blutkörperchen des Immunsystems als Reaktion auf das artfremde Eiweiß – die Allergene der Milch - gebildet.

Kuhmilch enthält außerdem - wie jegliche Milch - Lactose (vom lat. „lac“, Gen. „lactis“, Milch + „-ose“, Wortendung mit der Bedeutung „Krankheit“ oder „Zucker“; in diesem Fall ist der Zucker gemeint; auch „Milchzucker“) 5. Neugeborene Säugetiere produzieren während der Stillzeit ein bestimmtes En-zym: die sogenannte Lactase (mit zwei „a“; vom lat. „lac“ + „-ase“, Wortendung mit der Bedeutung „Enzym“). Sie sind damit in der Lage, die Lactose der Muttermilch in die (verwertbaren) Zucker Galactose (vom grch. „gala“, Gen. „galaktos“, Milch + -ose) und Glucose (vom grch. „glykys“, süß + -ose; auch „Traubenzucker“) zu spalten. Die Lactase-Produktion nimmt später jedoch teilweise bis vollständig ab.

Dass Erwachsene überhaupt Milchzucker verdauen können, ist entweder auf die erst allmählich versiegende Lactase-Produktion zurückzuführen oder eine sehr neue gene­tische Anpassungsleistung. Die Fähigkeit ist am weitesten im Europa, nörd­lich der Alpen, verbreitet. 75 % der Weltbevölkerung jedoch vertragen im Erwachsenen­alter keinen Milchzucker mehr. Man spricht in diesen Fällen von Laktoseunverträglichkeit (auch „Laktoseintoleranz“; als Wort der Allgemein-sprache mit „k“) 3.

Im Falle der Laktoseunverträglichkeit gelangt der Milchzucker in den Dickdarm (bei Verfügbarkeit von Lactase wird er im Dünndarm gespalten), wo er von Darmbakterien vergoren (abgebaut) wird 6. Dabei entstehen Milchsäure sowie die Gase Methan und Wasserstoff. Die Gase führen zu Blähungen und Winden, die Milchsäure zu einem Einstrom von Wasser in den Dickdarm, resultierend in Durchfall.

Ein einfacher diagnostischer Test besteht darin, der Person Milchzucker zu verabreichen und eine Weile danach ihren Blutzucker (den Gehalt ihres Bluts an Glucose) zu messen 5. Milchzucker wird, wie gesagt, in der Gegenwart von Lactase in Galactose und Glucose gespalten. Wenn also keine Zunahme an Glucose messbar ist, kann das als Hinweis darauf interpretiert werden, dass keine Lactase vorhanden ist.

„Die gewöhnliche Laktoseintoleranz ist in der Regel nicht heilbar und wird Ihr ganzes Leben lang bestehen bleiben.“ 42. Aussagen dieser Art – verbunden mit dem Hinweis, dass sie gut (mit Lactase-Tabletten) „behandelbar“ sei - sind häufig anzu­treffen. Sie sind weder richtig noch falsch. Sie treffen einfach nicht zu, denn sie sind in sich falsch, mit anderen Worten, Unsinn. Heilbarkeit oder Unheilbarkeit setzen eine Krank­heit voraus. Wenn aber der erwachsene Mensch keine Lactase mehr bildet, liegt es nicht daran, dass er krank wäre. Es liegt vielmehr daran, dass er nun erwachsen ist und Muttermilch genau wie jede andere Milch nicht mehr verträgt. Ansonsten wären im übrigen 98 % der Menschen im südöstlichen Asien, 94 % der Chine­sen, 85 % der Urein­wohner Australiens, 80 % der Menschen im zentralen Asien, 79 % der Afroamerikaner und 71 % der Sizilianer genau deshalb „unheilbar krank“ 5.

Die Laktoseintoleranz wird jedoch von den einschlägigen Experten nicht zu den Aller­gien gezählt, da keine aktive Immunreaktion stattfindet. Die Lactose gärt einfach im Dickdarm vor sich hin, bis sie ausgeschieden wird. Den allergenen Anteil der Kuh­milch bilden allein die Proteine 3, 4.

 

Unüberbrückbare Differenzen

Wenn man Kuhmilch eine Weile in der Sonne stehen lässt, wird sie zunächst sauer, um dann zu gerinnen (Klümpchen zu bilden) 3. Mit anderen Worten, wenn man sie erwärmt, trennen sich irgendwann die festen von den flüssigen Bestandteilen. Bei den festen Bestandteilen handelt es sich um Caseine (wie „Proteine“: vom lat. „caseus“, Käse): Milchproteine, die - wie das Wort sagt - den Hauptbestandteil von Käse ausma­chen. Die flüssigen Bestand­teile bilden die Molke. Es gibt jedoch auch Proteine, die in der Molke zurückbleiben. Sie werden als Molkenproteine zusammengefasst. Die Prote­ine von Kuhmilch, Ziegen­milch und Schafsmilch bestehen zu etwa 80 % aus Caseinen und 20 % aus Molken­proteinen.

Die Caseine werden oft als die Hauptallergene der Milch betrachtet. Gründe sind zum einen, dass sie den Hauptbestandteil der Milchproteine ausmachen, zum ande­ren, dass sie hitzebeständig sind, und schließlich, dass Milchprodukte gewöhnlich mehr davon beinhalten als die Milch, aus der sie hergestellt werden.

Vier Fraktionen lassen sich unterscheiden: α-s1-Casein (Alpha-s1-Casein), α-s2-Casein (Alpha-s2-Casein), β-Casein (Beta-Casein) und κ-Casein (Kappa-Casein) 7. Sie bilden zusammen mit anderen Stoffen, z. B. Calciumphosphat, kleine Kügelchen, sogenannte Mizellen (vom lat. „micella“, Verkleinerungsform von „mica“, Körnchen, kleiner Klumpen), die bei der Erwärmung oder Säuerung der Milch aufbrechen 8. Das Casein mit dem stärksten allergenen Potential ist das α-s1-Casein 3.

Die besagten Caseine kommen durchaus auch in der menschlichen Muttermilch vor. Doch während jedes davon in der Kuhmilch wie auch in der Ziegen- und Schafsmilch einen sehr ähnlichen Aufbau hat, unterscheidet es sich sehr deutlich von dem der menschlichen Milch 3. Die Übereinstimmungen zwischen den Caseinen der Kuh-, Ziegen- und Schafsmilch und denen der menschlichen Milch sind also eher Überein­stimmungen der Funktion als der Struktur. Darüber hinaus liegen die Gesamt-Casein­Konzentrationen der Kuhmilch (mit etwa 25 g/L), der Ziegenmilch (mit etwa 20 g/L) und der Schafsmilch (mit etwa 35 g/L) weit über derjenigen der menschlichen Milch (mit etwa 10 g/L).

Es gibt eine ganze Reihe von Molkenproteinen: am meisten vertreten β-Lacto­globin (Lactoglobin: vom lat. „lac“, Milch + „globulus“, Kügelchen; eigentlich also „Milch­kügelchen“; es gibt vier Klassen davon, eine ist das β-Lactoglobin) und α-Lactal­bomin (Lactalbomin: wiederum vom lat. „lac“ + „albus“, weiß; eigent­lich also „Milch­weiß“; auch hier gibt es mehrere Klassen) 3, 4, 9, 10, 11.

Wie alle Molkenproteine, so ist auch β-Lactoglobin hitzeempfindlich. Es ist deshalb für die Haut mitverantwortlich, die sich beim Abkochen der Milch an der Ober­fläche bildet. Sein allergenes Potential wird oft noch höher als das von α-s1-Casein eingeschätzt, was wahrscheinlich damit zu tun hat, dass es in der menschlichen Milch überhaupt nicht vorkommt 3, 4. Die Konzentrationen von β-Lactoglobin in der Kuh- und in der Ziegen­milch sind etwa gleich (zwischen 2 und 4 g/L), in der Schafs­milch ist sie ungefähr doppelt so hoch (um die 7 g/L).

Ziegenmilch unterscheidet sich von Kuhmilch und Schafsmilch, indem sie weniger an α-s1-Casein beinhaltet 12, 13, 14. Ziegenmilch ist deshalb in der Regel bekömmlicher als Kuhmilch. Die Konzentration ist allerdings abhängig von der Rasse. Es gibt Rassen, deren Milch fast gar kein α-s1-Casein, und es gibt Rassen, deren Milch eine beträcht­liche Menge α-s1-Casein enthält. Niedrige Konzentrationen an α-s1-Casein sind aber meist nicht im Sinne der Züchter, da mehr α-s1-Casein eine höhere Käseausbeute bedeutet.

Dass sowohl Ziegenmilch wie auch Schafsmilch besser als Kuhmilch vertragen werden, dürfte auch daran liegen, dass ihr Fett leichter verdaulich ist 14. Es kommt in kleineren Kügelchen vor, und hat kürzere Fettsäureketten, was weniger Verdauung notwendig macht.

 

Variationen in Weiß

Milch ist im Deutschen primär ein Synonym für Kuhmilch 15. Im Handel der EU darf nur Kuhmilch als „Milch“ bezeichnet werden. Die Milch anderer Tiere muss als solche benannt werden, z. B. „Ziegenmilch“, „Schafsmilch“ oder - die bei uns eher seltene - „Kamelmilch“. Begriffe wie „Sojamilch“ oder „Mandelmilch“ sind natürlich nur Werbeideen, die auf dem Erscheinungsbild der Produkte beruhen. (Zu Milch und Milch­produkten siehe Abbildung 1.)

Rohmilch ist unbehandelte Milch 15, 16. Als solche darf sie jedoch nur auf dem Hof des Erzeugers verkauft werden. Verpackt ist sie als Vorzugsmilch im Handel erhältlich. Die unbehandelte Milch ist besonders schwer verdaulich, da alle Proteine und Fette noch intakt sind.

Der Fettgehalt der unbehandelten Milch liegt gewöhnlich zwischen 3,5 und 3,8 %. Um andere Fettgehalte zu bekommen, wird die Milch in der Zentrifuge bearbeitet. Dabei wird der Rahm von der Magermilch, getrennt.

Die Zentrifuge (vom lat. „centrum“. Mitte + „fugare“, flüchten, entfliehen) ist ein Gerät zur Trennung von Stoffgemischen oder Gemengen. Es arbeitet mit einer Trommel, die sich sehr schnell um ihre Achse dreht. Ein wohl bekanntes Gerät dieser Art ist die Wäscheschleuder. Wenn sich die Trommel dreht, entwickeln schwerere Partikel größere Fliehkräfte als leich­tere. Sie drängen nach außen und werden durch kleine Löcher in der Trommel aus­schwemmt. Bei der Wäscheschleuder wie bei der Milchzentrifuge ist es in erster Linie das Wasser, was ausgeschwemmt wird. Im Falle der Wäscheschleuder ist es die Wäsche, im Falle der Milchzentrifuge das Fett, was zurückgehalten wird. (Wenn man die Milch einfach stehen lässt, erhält man irgendwann den gleichen Effekt: dass sich der Rahm von der Magermilch trennt; und der Rahm schwimmt oben, weil er eben leichter ist als der Rest.)

Indem man der Magermilch wieder Rahm zuführt, kann man beliebige Fettgehalte der Milch herstellen. Auf diese Weise erhält man Extra-Vollmilch mit über 4,5 % oder fett­arme Milch mit 1,5 bis 1,8 % Fett; oder es bleibt bei der Magermilch mit maximal 0,5 %. Fett. Vollmilch bleibt wie Rohmilch bzw. Vorzugsmilch von der Prozedur ausge­nommen; sie hat einen natürlichen Fettgehalt von 3,5 bis 3,8 %, wird jedoch wärme­behandelt (siehe unten).

Alle Milchsorten, ausgenommen Rohmilch bzw. Vorzugsmilch, werden vor allem durch Erhitzen haltbar gemacht. Es gibt eine ganze Reihe von Methoden, die sich haupt­sächlich dadurch unterschieden, wie stark und wie lange man die Milch erhitzt.

Bei der Pasteurisierung (so benannt nach Louis Pasteur, auf den das Verfahren zurück­geht) wird die Milch kurzzeitig erhitzt. So erhält man Frischmilch, wenn man die Milch für 15 bis 20 Sekunden auf 72 bis 75 °C erhitzt.

Längerfrische Milch (auch „länger haltbare Frischmilch“) wird für 2 Sekunden auf 127 °C erhitzt, anschließend auf 90 °C abgekühlt. Sie wird auch hergestellt, indem man die Milch wie üblich in Rahm und Magermilch zerlegt, anschließend die Magermilch filtert, Rahm und Magermilch wieder vermischt und das Ergebnis pasteurisiert.

Abb. 1: Milchproduke

H-Milch (kurz für „Haltbarmilch“) steht für homogenisierte und durch Ultrahocher­hitzung haltbar gemachte Milch 17. Bei der Homogenisierung (vom grch. „homos“, gleichartig, gleich + „gennai“, erzeugen, hervorbringen, bilden) wird die Milch durch sehr kleine Düsen gepresst, wodurch die Fettkügelchen auf einen einheitlichen Durch­messer von etwa 1μm (Mikrometer = Millionstelmeter) reduziert werden. Dadurch wird erreicht, dass sich der Rahm nur allmählich wieder an der Oberfläche absetzt. Bei der anschließenden Ultra­hocherhitzung wird die Milch für wenige Sekunden auf 135 bis 150 °C erhitzt und sofort wieder auf 4 bis 5 °C abgekühlt. Die Milch wird dadurch teil­weise sterilisiert. Vitamine werden dabei zerstört, und die Milch erhält einen leicht schalen Geschmack. Sie wird jedoch auch leichter verdaulich, da Proteine und Fette denaturiert bzw. zerkleinert werden.

Wenn man die Milch für 20 bis 30 Minuten auf 110 bis 120 °C erhitzt, erhält man Sterilmilch. Die Milch ist praktisch keimfrei und bei Zimmertemperatur mindestens sechs Monate haltbar.

Aus steriler Milch wird durch Entzug von Wasser Kondensmilch 18, durch Trocknung Milchpulver 19. Entsprechendes gibt es auch für die Magermilch: Kondensmagermilch und Magermilchpulver. Die Überproduktion an Milch in der EU landet zum großen Teil in diesen Milchpulvern. Sie beinhalten, was von den Feststoffen der Milch übrig geblieben ist: Caseine, denaturierte Molkenproteine und Fett. Sie finden Anwendung bei der Herstellung von Schokolade (auch Bioschokolade), Säuglingsnahrung, Tier­futter und vielen anderen Dingen.

Wie verschiedene Sorten von Milch so erhält man auch verschiedene Sorten von Sahne (in Österreich „Obers“) durch Rückmischung von Rahm und Magermilch 20. Sahne enthält gegenüber der Milch weniger Casein, aber mehr Fett. Sie ist als süße Sahne und saure Sahne erhältlich (siehe unten). Süße Sahne hat als Kaffeesahne mindestens 10 %, als Schlagsahne mindestens 30 %, als Crème double mindestens 40 % Fett.

Saure Sahne ist Sahne, die mit Milchsäurebakterien versetzt wurde. Sie hat daher einen leicht säuerlichen Geschmack und eine festere, cremige Konsistenz. Sie enthält als Sauerrahm (oder einfach „saure Sahne“) mindestens 10 % , als Schmand mindesten 20 % und als Crème fraiche mindestens 30 % Fett. Jegliche Sahne ist wärmebehandelt: pasteurisiert, ultrahocherhitzt oder sterilisiert.

Aus Rahm oder Sauerrahm wird (Süßrahm)Butter bzw. Sauerrahmbutter herge­stellt 21. Beim Buttern wird der Rahm geschlagen. Dabei brechen die Hüllen der Fett­kügelchen auf, und die freigesetzten Fettmoleküle verkleben untereinander. Wasser, Eiweiß und Reste der Fetthüllen treten teilweise als Buttermilch aus.

Butter besteht zu mindestens 82 % aus Milchfett und höchstens 16 % Wasser. Butter­sorten mit reduziertem Fettanteil sind Dreiviertelbutter (auch „fettreduzierte Butter“) mit etwa 60 % Fett, Halbfettbutter (auch „fettarme Butter“ oder „Butter, light“) mit etwa 40 % Fett sowie Butter mit weiter reduzierten Fettanteilen. Butter mit reduziertem Fettanteil beinhaltet oft Zusätze zur Konservierung, Geschmacksveränderung und Fär­bung. Man braucht ungefähr 20 L Milch, um 1 kg Butter zu erhalten.

Butterschmalz (auch „Schmalzbutter“ oder „geklärte Butter“) erhält man, indem man Butter bei 40 bis 60 °C schmelzen lässt und in der Zentrifuge Wasser, Eiweiß und Zucker vom Fett trennt 22. Anschließend werden Wasserreste durch Verdampfen ent­fernt, indem man das ganze nochmals auf 100 °C erhitzt. Butterschmalz ist aufgrund seines minimalen Wassergehalts viel länger haltbar als Butter. Da die Herstellung von Butterschmalz von der EU subventioniert wird (um den „Butterberg“ abzubauen), muss Butterschmalz mit Zusatzstoffen versetzt werden, um eine Rückführung in die teurere Butter zu unterbinden.

Kefir ist ein Milchgetränk, das aus dem Kaukasus und Tibet stammt. Die traditionelle Herstellung geschieht mithilfe von Kefirknollen (auch „Kefirpilze“): weißen Knollen von Walnuss- bis Kartoffelgröße und gummiartiger Konsistenz, die eine Menge an Hefen und Bakterien beinhalten 23. Die Knollen werden ein bis zwei Tage in Milch eingeweicht. Die (durch die Hefen verursachte) Hefegärung und die (durch die Bakte­rien verursachte) Milchsäuregärung lassen ein dickflüssiges, säuerliches und leicht alko­holhaltiges Getränk entstehen.

Industriell hergestellter Kefir, mild hat damit allerdings nicht viel zu tun. Man arbeitet mit einer Mischung von Hefen und Bakterien, mit der sich die Zusammensetzung der Kefirknolle nur unvollständig nachahmen lässt. Das resultierende Getränk enthält in der Regel keinen Alkohol, dafür aber Lactose. Gesundheitsfördernde Wirkungen, die dem ursprünglichen Kefir zugesprochen werden, haben möglicherweise damit zu tun, dass es sich bei ihm genau anders herum verhält.

Etwas mehr Präzision erfordert die Herstellung von Joghurt, die ausschließlich auf Milchsäuregärung beruht 24. Die Casein-Mizellen der Milch sind aus Mole­külen der verschiedenen Casein-Fraktionen aufgebaut. Ihr Aufbau ist aber nicht regel­los. Die Moleküle haben Wasser anziehende und Wasser abstoßende Enden; und sie legen sich so aneinander, dass die Wasser abstoßenden Enden in der Mitte der Mizelle, die Wasser anziehenden Enden am Rand liegen. Die Wasser anziehenden Enden haben jeweils ein freies Elektron (das die Anziehungskraft bewirkt). In ihrer Gesamtheit geben sie der Mizelle einen Elektronenmantel, der wiederum eine Wasserschicht festhält. Und da sich gleiche elektrische Ladungen (in diesem Fall die negativen Ladungen von Elek­tronen) abstoßen, halten sich die Mizellen auf diese Weise gegenseitig auf Distanz und das Casein „in Lösung“ (siehe Abbildung 2).

Abb. 2: Beispiel einer Mizelle.

Wenn man der Milch nun Milchsäurebakterien zusetzt, wandeln sie den Milchzucker in Milchsäure um; und die Milchsäure hat wie jede Säure die Eigenschaft, dass sie positive Ladungen (Protonen) an Reaktionspartner abgeben kann. Jedes Molekül Milchsäure hat eine freie positive Ladung; und es neutralisiert damit eine freie negative Ladung im Elektronenmantel einer Casein-Mizelle. Zu einem bestimmten Zeitpunkt halten sich negative und positive Ladungen die Waage; man nennt das den „isoelektrischen Punkt“ (isoelektrisch: vom grch. „isos“, gleich + elektrisch). Die Mizellen verlieren ihre Wasserhülle, sie stoßen sich nicht mehr gegenseitig ab, sie lagern sich stattdessen anein­ander: Das Casein „fällt aus“. Dieser eher regellose Zusammenschluss des Caseins lässt eine feine, zarte Masse entstehen: die sogenannte „Gallerte“ (vom lat. „gelare“, gefrie­ren; gerinnen). Die Molke ist in den Zwischenräumen der Gallerte eingeschlossen.

Naturjoghurt (ohne Frucht- oder ähnliche Zusätze) wird nur unter Verwendung von (pasteurisierter) Milch und Milchsäurebakterien hergestellt. Unterschieden nach Fett­gehalt, gibt es Magermilchjoghurt mit höchstens 0,5 % Fett, fettarmen Joghurt mit höchstens 1,8 % Fett, (einfach) Joghurt mit mindestens 3,5 % Fett und Sahnejoghurt mit mindestens 10 % Fett.

Joghurt hatte früher das Image einer Diätspeise – für was auch immer. Der große Durch­bruch kam erst mit der Einführung des Fruchtjoghurts. Er hat gewöhnlich einen Fruchtanteil von mindestens 6 %. Als Joghurt mit Fruchtzubereitung hat er einen Fruchtanteil von mindestens 3,5 %, als Joghurt mit Fruchtgeschmack einen Fruchtan­teil von unter 3,5 %. Je nach Qualität kann die Mischung Früchte, Zucker, Süßungs­mittel, Milchpulver, Verdickungsmittel, gepresste Fruchtrückstände, Aromen und Kon­servierungsstoffe enthalten. Der Geschmack wird meist unwesentlich von den verwen­deten Früchten bestimmt. Vorteilhaft für die Bekömmlichkeit des Joghurts wirkt sich sicherlich die bakterielle Vorverdauung seines Caseins aus.

Sauermilch (auch „Dickmilch“ oder „Stockmilch“) ist eine Variante des Joghurts und wird wie dieser mithilfe von Milchsäurebakterien hergestellt 25. Der Unterschied liegt in den verwendeten Kulturen und davon abhängigen Verarbeitungstemperaturen. So haben die für Joghurt verwendeten Kulturen ein Temperaturoptimum zwischen 42 und 45 °C, die für Sauermilch verwendeten Kulturen ein Temperaturoptimum zwischen 22 und 28 °C.

Sauermilch wird auch zur Herstellung von Quark (auch „Topfen“ oder „Weißkäse“) verwendet 26, 27. Man trennt die Molke entweder durch Abtropfenlassen in einem Tuch oder bei industrieller Herstellung in der Zentrifuge. Der feste Anteil wird durch feine Siebe passiert und je nach gewünschtem Fettgehalt mit Sahne versetzt. Das Ergebnis ist Quark mit verschiedenen Fettstufen: Magerstufe mit unter 10 %, Viertelfettstufe mit 10 %, Halbfettstufe mit 20 %, Dreiviertelfettstufe mit 30 %, Fettstufe mit 40 %, Voll­fettstufe mit 45 %, Rahmstufe mit 50 % und Doppelrahmstufe mit 65 bis 80 % Fett (wie bei Käse in der Trockenmasse, das heißt der Masse ohne Wasser). Quark enthält viel Eiweiß: es sind zwischen 10 und 20 %, größtenteils Casein.

Aus Dickmilch oder Quark lässt sich wiederum Sauermilchkäse herstellen 28. Man fügt weitere Säure (Milchsäure, Zitronensäure oder Essigsäure) hinzu, erhitzt das ganze und entfernt die abgeschiedene Molke. Die Käsemasse wird gewürzt und zu kleinen Laiben geformt. Sie entwickeln nach kurzer Reifezeit eine elastische Konsistenz, beglei­tet von einem strengen Geruch. Sauermilch ist fettarm und enthält viel Casein.

Um das Casein der Milch auszufällen, muss man sein Gefüge verändern. Es gibt grund­sätzlich zwei Verfahren, das zu bewerkstelligen: die (oben beschriebene) Sauermilch­gerinnung und die (im folgenden beschriebene) Süßmilchgerinnung 29. Frischkäse, wie Quark oder (der aus Magermilch hergestellte und mit Rahm versetzte) Hüttenkäse, stammt gewöhnlich aus der Sauermilchgerinnung. Für Schnittkäse und Hartkäse hingegen verwendet man die Süßmilchgerinnung.

Für die Süßmilchgerinnung braucht man einen Stoff aus dem Magen möglichst junger Wiederkäuer (in der Praxis fast ausschließlich Kälber). Wiederkäuer haben einen höchst komplizierten Vierfachmagen. Ein Abschnitt, der sogenannte „Labmagen“, liefert eine Enzymmischung, das nach ihm benannte Lab, das die Milch erst für das Jungtier verdaulich macht 30. Daraus lässt sich – nebenbei gesagt – schließen, dass Kuhmilch für Menschen nicht besonders gut verdaulich sein kann. Es ist jedenfalls dieser Stoff, den man verwendet, um Käse daraus zu machen.

Für die Gerinnung (oder „Dicklegung“) der Milch verantwortlich ist insbesondere das (Enzym) Chymosin des Labs. Es spaltet den äußeren, Wasser anziehenden Teil der Casein-Mizellen (das κ-Casein) ab. Die entblößten Mizellen reagieren mit dem Calcium der Milch. Es entstehen sogenannte „Calciumsalz-Brücken“, die sich kreuz und quer, in alle Richtungen ausbilden und wiederum das Netzwerk einer Gallerte entstehen lassen. Diese Calciumsalz-Brücken haben aber das Bestreben, sich zusammenzuziehen. Auf diese Weise tritt die Molke aus, und das Casein verfestigt sich. Faktoren wie die Menge des Labs, die Reaktionszeit, die Temperatur und der Calcium-Gehalt der Milch entschei­den über den Grad der Entmolkung. Über das Zerschneiden der Gallerte, die Größe der Bruchwürfel und die dabei verwendete Temperatur lässt sich die Trockenmasse des entstehenden Käses steuern.

Da die weltweite Käseproduktion kontinuierlich ansteigt, kann nur noch ein Teil mit dem Lab aus den Mägen geschlachteter Kälber bewerkstelligt werden. Zunehmend Verwendung finden daher Labaustauschstoffe aus Kräutern und Pflanzen sowie aus mikrobieller und biotechnologischer Herstellung.

Nach dem Wassergehalt (in der fettfreien Käsemasse) unterscheidet man Frischkäse mit über 73 % (z. B. Speisequark oder Hüttenkäse), Weichkäse mit über 67 % (z. B. Brie, Camembert oder Feta), Sauermilchkäse mit 60 bis 73 % (z. B. Harzer Käse, Mainzer Käse oder Handkäse), halbfesten Schnittkäse mit 61 bis 69 % (z. B. Butterkäse oder Edelpilzkäse), Schnittkäse mit 54 bis 63 % (z. B. Gauda, Edamer oder Tilsiter) und Hartkäse mit unter 57 % (z. B. Emmentaler, Bergkäse oder Parmesan) 31. Je geringer der Wassergehalt, desto höher der Casein-Gehalt. Parmesan nimmt einen der „Spitzen­plätze“ ein.

Schmelzkäse ist ein weiterverarbeitetes Produkt 32 . Es wird aus einer oder mehreren Käsesorten unter Verwendung von Schmelzsalzen und Emulgatoren hergestellt. Schmelzsalze sind Lebensmittelzusatzstoffe, z. B. Calcium-, Kalium- und Natriumsalze der Milchsäure, Zitronensäure und Phosphorsäure (Verbindung der Milchsäure mit Calcium, Kalium oder Natrium usw.) 33. Sie unterbinden das Austreten von Wasser und Fett und geben dem Produkt dadurch eine zähe, klebrige Konsistenz. Emulgatoren verhindern, dass sich Fett und Wasser voneinander abscheiden.

Die Molke (auch „Käsewasser“), die als Neben- oder Abfallprodukt der Käseher­stellung anfällt, besteht zu etwa 94 % aus Wasser und etwa 5 % aus Lactose 34. Der Rest sind Molkenproteine sowie einige Vitamine und Mineralstoffe. Fette sind so gut wie keine mehr darin enthalten. Die flockige Masse, die sich beim Erhitzen der Molke an deren Oberfläche bildet, wird zum Teil anderen Molkereiprodukten beigemengt, zum Teil zu Molkenkäse (z. B. Ricotta oder Zieger) verarbeitet. Als Molken­pulver wird die Molke Backwaren, Süßwaren, Fertignahrung und Kosmetika zugesetzt. Hauptsächlich aber wird sie heute in der Schweinezucht verwendet.

Wenn man die Proteine aus der Molke entfernt, erhält man eine nahezu farblose Flüssig­keit, die nur noch die wasserlöslichen Bestandteile der Milch enthält: Lactose, Mineral­stoffe und wasserlösliche Vitamine. Man nennt die Flüssigkeit Milchserum. Selbst dafür hat man noch Verwendungsmöglichkeiten gefunden. Mit Fruchtsaftkonzentrat, Aromen, Zucker versetzt, wird es als eine Art „Erfrischungsgetränk“ verkauft.

Durch erhitzen, filtrieren und eine Reihe weiterer Behandlungen lässt sich die Lactose aus der Molke isolieren 36. Laktoseunverträglichkeit hin oder her – sie verleiht Back­waren, Brotaufstrichen, Fertiggerichten, Fischkonserven und vielem mehr einen cremi­gen Geschmack und findet reichliche Verwendung.

Auch Casein als solches lässt sich noch verwenden. Es wird hauptsächlich durch Mikrofiltration der entrahmten Milch gewonnen, wobei man sich die unterschiedliche Teilchengröße zunutze macht. Die relativ großen Caseine und geringe Anteile von Molkenproteinen und Lactose verbleiben im Sieb. Die größeren Anteile von Molken­proteinen und Lactose sowie Mineralsalze passieren es. Casein wird als Bindemittel in Casein-Farben und Casein-Leim verwendet 37. Als solches verklebt es auch die Darm­schleimhaut. Das ist einer der Gründe, weshalb sich auf manchen Arzneimittelbeipack­zetteln die Empfehlung finden lässt, das Medikament nicht zusammen mit Milch einzu­nehmen.

Das ist jedoch bei weitem nicht alles, was heutzutage aus Kuhmilch gemacht wird. Die Kreativität des Menschen scheint grenzenlos, wenn es um die Kuhmilch geht.

 

Die Einführung

Muttermilch ist natürlich die beste Nahrung für Neugeborene. Das Forschungsinstitut für Kinderernährung, Dortmund empfiehlt – den einschlägigen Richtlinien der EU folgend -, Säuglinge die ersten vier bis sechs Monate voll zu stillen 38.

Für Säuglinge, die nur teilweise oder nicht gestillt werden, gibt es industriell herge­stellte Säuglingsanfangsnahrung 39. Sie basiert gewöhnlich – allen Widrigkeiten zum Trotz – auf Kuhmilch. Anfangsnahrung aus Kuhmilch wird als Säuglingsmilch­nahrung bezeichnet.

Das Problem dabei ist, dass die Darmschleimhaut in den ersten Lebensmonaten noch nicht ausgereift ist. Sie hat noch keine Darmflora, die Stoffe zerlegen könnte. Sie ist noch durchlässig für große Moleküle wie die Proteine der Milch. Darüber hinaus ist das Immunsystem noch nicht entwickelt, um sich dagegen zur Wehr zu setzen. Unbehan­delte Kuhmilch kann deshalb für Neugeborene tödlich sein.

Speziell für die ersten vier bis sechs Wochen gibt es daher Pre-Nahrung (Pre: vom lat. „prae“, vor). Sie ist der Muttermilch insofern angeglichen, als sie mindestens so viel Molkenproteine wie Casein enthält (in der Kuhmilch ist das Verhältnis 20:80, in der Muttermilch 60:40). Außerdem enthält sie Kohlenhydrate ausschließlich in Form von Lactose, weshalb sie ähnlich dünnflüssig wie die Muttermilch ist. Anschließend gibt es Stufe-1-Nahrung (auch „Anfangsmilch“). Sie unterscheidet sich von der Pre-Nahrung durch den Zusatz weiterer Kohlenhydrate, meist in Form von Maisstärke; häufig enthält sie auch höhere Casein-Anteile, die sie sättigender machen sollen.

Das Forschungsinstitut empfiehlt ab dem 5. Monat Folgenahrung (auch „Folgemilch“). Sie muss der Muttermilch hinsichtlich Proteinverteilung nicht mehr angepasst sein; darüber hinaus enthält sie gesetzlich vorgeschriebene Mengen an Eisen und Jod und meist weitere Kohlenhydrate.

Ebenfalls ab dem 5. Lebensmonat gibt es zusätzlich zur Muttermilch oder Fläschchen­nahrung Beikost: zuerst Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei, dann Vollmilch-Getreide-Brei und schließlich Obst-Getreide-Brei. Mit etwa 12 Monaten sollen die Kinder an die Erwachsenenkost gewöhnt werden. Vollmilch gilt ab dem Anfang des zweiten Lebens­jahrs als erlaubt.

Da die Kuhmilch oft nicht vertragen wird, hat man auch hypoallergene Milchnahrung entwickelt (hypoallergen: vom grch. „hypo“, unter, darunter + allergen: in verringertem Maße allergieauslösend; Abkürzung: HA) 40. Die Milchproteine werden chemisch in kleine Teile zerlegt, die das Immunsystem des Darms nicht mehr als fremd erkennt und passieren lässt 41. Hypoallergene Milchnahrung (auch „HA-Milchnahrung“ oder „HA-Milch“) gibt es als Anfangsmilch (HA1-Milch) und als Folgemilch (HA2-Milch). HA-Milchnahrung ist besonders für Säuglinge gedacht, bei denen eine Allergie aufgrund ähnlicher Vorkommnisse in der Familie besonders wahrscheinlich ist (wenn es allergi­sche Symptome mindestens bei einem Elternteil oder einem Geschwister gibt).

Für Säuglinge, bei denen bereits eine Milchallergie besteht, gibt es Therapiemilch, deren Eiweiße in besonders kleine Teilchen zerstückelt worden sind 39, 41. Das für die Herstellung von hypoallergener Milchnahrung und Therapiemilch verwendete Verfah­ren ist die „Hydrolyse“ (vom grch. „hydros“, Wasser + „lysis“, Lösung, Auflösung: Spal­tung einer chemischen Verbindung mithilfe von Wasser). Hypoallergene Milchnahrung wird deshalb auch „hydrolysierte Milchnahrung“, Therapiemilch „extensiv hydroly­sierte Milchnahrung“ genannt.

Es sind also gewaltige Anstrengungen, die unternommen werden, um Kindern auf die eine oder andere Weise Kuhmilch zu verabreichen. Man macht sich sogar schon Gedan­ken darüber, Kühe genetisch zu verändern. Die Idee dabei ist, allergische Reaktionen durch genetisch veränderte Caseine und Molkenproteine zu verhindern – womit man das Problem „eine Etage tiefer“ legen würde oder wird.

 

Die ersten Probleme ...

Auch die Ernährungskommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde vertritt das Konzept der Säuglingsanfangs-nahrung wie oben darge­legt; und sie warnt davor, dem Kind selbst zubereitete Speisen in der Zeit zu verab­reichen, in der es ausschließlich gestillt werden sollte 43. Sie weist jedoch auch eindring­lich darauf hin, wie wichtig die Ernährung des Säuglings für seine weitere Entwicklung ist. Das Kind verdoppelt sein Geburtsgewicht in den ersten fünf Lebensmonaten, und es verdrei­facht sein Geburtsgewicht bis zum Ende des ersten Lebensjahrs. Es ist in dieser Zeit besonders anfällig und auf geeignete Nahrung angewiesen.

Die Kommission äußert sich zwar nur dürftig zu Alternativen für den Fall, dass es Probleme mit der Milchnahrung gibt, interessant sind aber ihre Warnungen vor Voll­milch. Gemäß der Kommission ist die Verwendung von Vollmilch in den ersten sechs Lebensmonaten „striktest“ abzulehnen und bis zum Ende des ersten Lebensjahres nicht zu empfehlen, da der Säugling mit der Vollmilch „eine niedrige Eiweißqualität … in hoher Quantität“ erhält. Die damit verbundenen Stoffmengen stellen eine erhebliche Belastung für die Nieren dar, die durch den hohen Mineralstoffgehalt noch verstärkt wird.

Darüber hinaus berichtet die Kommission, dass bei 27 % der älteren mit Vollmilch ernährten Säuglinge ein Eisenmangel festgestellt wurde. Als Gründe genannt werden ein geringer Eisengehalt der Vollmilch, ein geringer Vitamin-C-Gehalt der Vollmilch (Vitamin C begünstigt die Aufnahme von Eisen) sowie Eisenverluste durch Mikro­blutungen der Darmwand.

Strikt abzulehnen sei ebenfalls Rohmilch (nicht pasteurisierte Milch). Sie bringt wiederum keine Vorteile, kann aber Keime enthalten, die zu schweren Krankheiten führen können, z. B. Tuberkulose (vom lat. „tuberculum“, kleine Geschwulst: meist die Lungen betreffende Infektionskrankheit), Brucellose (durch das Bakterium „Brucella“ verursacht; Hauptsymptome sind Fieber, oft mit Nachtschweiß, Schüttelfrost und Übel­keit) usw. Tierische Nahrung ist grundsätzlich stärker mit Keimen (Bakterien, Pilze, Hefen) belastet als pflanzliche; und das Immunsystem des Säuglings ist noch kaum entwickelt.

Die industriell hergestellte Säuglingsnahrung auf der Basis von Kuhmilch wird im allgemeinen jedoch als unentbehrlich betrachtet. Kritik gibt es am ehesten noch zur Folgemilch 44. Ihr Eiweißgehalt ist ja gegenüber der Vollmilch kaum verändert. Deshalb belastet sie nicht nur die Ausscheidungsorgane des Kindes; sie führt auch zu Über­gewicht - das sich langfristig manifestieren kann.

Schätzungen zufolge sind bis zu 7 % aller Säuglinge von einer Kuhmilchallergie betrof­fen 39. Man beobachtet zwar ein Abklingen der Symptome innerhalb der ersten zwei Lebensjahre; man weiß aber auch, dass die betroffenen Kinder später gehäuft auch andere Allergien entwickeln 4, 39.

Abb. 3: Kleinkind mit atopischem Ekzem auf den Wangen.

Eines der häufigsten Symptome der Kuhmilchallergie – neben Durchfall und Koliken - ist das atopische Ekzem (atopisch: vom grch. „atopia“, Ortslosigkeit: ohne feste oder regelmäßige Lokalisierung; Ekzem: vom gleichbedeutenden grch. „ekzema“, Aus­schlag) 45. Weitere Bezeichnungen sind „atopische Dermatitis“ (Dermatitis: vom grch. „derma“, Haut + „-itis“, Wortendung mit der Bedeutung „Entzündung“) oder „Neuro­dermitis“ (vom grch. „neuron“, Nerv + Derm[at]itis; die Bezeichnung stammt aus dem 19. Jahrhundert, als man eine Nervenentzündung als Ursache der Erkrankung annahm). Es handelt sich um rötliche, schuppende, manchmal nässelnde Hautausschläge, verbun­den mit einem starken Juckreiz, die an verschiedenen Stellen des Körpers auftreten können. Typischerweise betroffen sind Gesichts- und Halspartien, Armbeugen und Kniekehlen (siehe Abbildung 3).

Die früheste Form des atopischen Ekzems ist der Milchschorf, meist an Scheitel und Wangen lokalisiert, oft aber auch auf Rumpf und Extremitäten übergreifend 46. Die akute Entzündung der Haut führt zu Bläschenbildung und im weiteren Verlauf gelb­lichen Verkrustungen (siehe Abbildung 4). Der Milchschorf tritt gewöhnlich nicht vor dem dritten Lebensmonat auf. Die Hautveränderungen können bis zu zwei Jahren beste­hen bleiben und dann entweder abheilen oder in die chronisch-entzündliche Form des atopischen Ekzems übergehen. Man nimmt an, dass in Deutschland 8 bis 16 % der Kinder bis zum Schuleintritt und 1 bis 3 % der Erwachsenen davon betroffen sind.

Abb. 4: Milchschorf bei einem zwei Monate alten Säugling.

Es wird sehr oft darauf hingewiesen, dass das Wort „Milchschorf“ auf die Ähnlichkeit der Hautveränderungen mit angebrannter und verkrusteter Milch zurückgehe und nicht bedeute, dass Milch die Ursache sei. Der Milchschorf ist jedoch Ergebnis eines Exsudats (vom lat. „exsudatum“, das Ausgeschwitzte; zu „exsudare“, ausschwitzen): einer entzündlichen Ausschwitzung, die wegen ihres hohen Eiweiß- und Zellgehalts trüb ist und beim Eintrocknen verkrustet. Es wäre also sinnvoller, das Exsudat zu unter­suchen als über die Entstehungsgeschichte des Begriffs nachzudenken. Eine Besserung jedenfalls lässt sich häufig bereits nach ein bis zwei Wochen kuheiweißfreier Ernährung beobachten 47.

Wenn heute jedes dritte bis vierte Kind mit einer Schuppenflechte zur Welt kommt (eine andere entzündliche, stark schup­pende Hauterkrankung) kann das als Hinweis darauf verstanden werden, dass das Leben des Kindes nicht erst mit der Geburt beginnt 47. Sein Kreislauf ist bis zur Geburt mit dem seiner Mutter verbunden. Deshalb wirkt sich auch die Ernährung der Mutter auf das Kind aus.

 

… und ein Strauß von Krankheiten hinterher

Die Symptome der Kuhmilchallergie treten gehäuft im ersten Lebensjahr auf - wenn eben die Säuglingsmilchnahrung eingeführt wird. Blutuntersuchungen sind in dieser Zeit aber nicht sehr aufschlussreich, da das Immunsystem noch nicht oder kaum arbei­tet. So ist beim Milchschorf des Säuglings und der atopischen Dermatitis des Kleinkinds nicht immer eine Produktion entsprechender Antikörper festzustellen.

Auf diese Weise könnte auch ein anderes Geschehen im Dunkel bleiben: das exzessive Schreien im Säuglingsalter 48. Die Rede ist von einem Krankheitsbild, bestehend aus unstillbarem, dauerhaftem Schreien und ständigen Unruheattacken des Säuglings. 16 bis 29 % aller Säuglinge in den ersten drei Lebensmonaten sollen betroffen seien; bei 8 % soll das Verhalten bis über das dritte Lebensjahr hinaus bestehen bleiben.

Aufgrund der Vermutung, dass Koliken die Ursache sein könnten, wird das Syndrom auch Dreimonatskolik genannt. Unter einer Kolik (vom grch. „kolike nosos“, Darm­leiden) sind stärkste, bewegungsunabhängige, wehenartig kommende Schmerzen zu verstehen, die durch krampfartige Kontraktionen der Muskulatur eines Hohlorgans, z. B. des Darms, verursacht werden, wenn die Muskulatur einem Widerstand, z. B. dem Darminhalt, entgegenwirkt. Die Frage nach dem, was im Darm des Schreibabys geschieht, drängt sich auf.

Die gewöhnliche Einstellung ist: „Als exzessives Schreien im Säuglingsalter wird das Verhalten eines Säuglings bezeichnet, der an unstillbaren, dauerhaften Schrei- und Unruhe­attacken leidet“ (Wikipedia). „Nicht wenige Säuglinge, sogenannte Schreikinder, leiden … unter nicht beherrschbaren, über Stunden andauernden Schreiphasen“ (aus einer Disserta­tion). Das Kind leidet nicht unter Schreiphasen; es schreit, weil es an irgendetwas leidet. Das zu verstehen könnte es einfacher machen herauszufinden, woran das Kind leidet – um ihm weiteres Leiden zu ersparen.

Ein eindeutiger Zusammenhang besteht zwischen dem traurigen Phänomen des plötz­lichen Kindstods und der Unverträglichkeit von Kuhmilch 47, 49. Die international renommierte medizinische Fachzeitschrift The Lancet hat bereits eine Reihe von Stu­dien dazu veröffentlicht. In ihrer Ausgabe vom 5. November 1994 erschien eine Studie, bei der Säuglinge, die gestillt worden waren, mit Säuglingen, die Kuhmilchnahrung erhalten hatten, verglichen wurden. Für die Säuglinge, die Kuhmilch erhalten hatten, ergab sich ein 14-mal höheres Risiko, an Komplikationen im Zusammenhang mit Durchfall, und ein 4-mal höheres Risiko, an Lungenentzündung zu sterben, als für die gestillten Kinder.

Die schockierendste Studie erschien in der Ausgabe vom 4. Juni 1994. Sie beschäftigte sich mit Gewebeuntersuchungen bei verstorbenen Kindern. Die Untersuchungen wurden bei 48 Kindern, die den plötzlichen Kindstod erlitten hatten, und bei 30 Kindern, die an anderen Krankheiten gestorben waren, durchgeführt. Bei den Kindern, die vom plötz­lichen Kindstod betroffen waren, wurden ungewöhnliche, entzündliche und heftige allergische Reaktionen „auf etwas Fremdes“ festgestellt. Die Lungengewebe zeigten ähnliche Veränderungen wie bei Asthma.

Diabetes mellitus (vom grch. „diabainein“, hindurchfließen + lat. „mellitus“, süß; auch „Zuckerkrankheit“) ist eine schwere Stoffwechselerkrankung. Stoffwechsel ist die Umsetzung von Glucose mithilfe von Sauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser unter Freisetzung von Energie. Es ist die Funktion des Hormons Insulin, die Glukose in die Zelle zu schleusen. (Es hat seinen Namen daher, weil es im sogenannten „Inselorgan“ der Bauchspeicheldrüse produziert wird: lat. „insula“, Insel.) Beim Diabetes mellitus, Typ 1 (auch „Kinderdiabetes“) werden die Insulin produzierenden Zellen der Bauch­speicheldrüse zerstört, so dass kein Insulin mehr zur Verfügung steht.

Das New England Journal of Medicine berichtete in seiner Ausgabe vom Juli 1992 von einer Untersuchung an 142 zuckerkranken Kindern 47, 49. Jedes der Kinder hatte Anti­körper gegen Rinderserum-Albumin (RSA für englisch „bovine serum albumin“: ein Molkenprotein) entwickelt. Die Antikörper, die normalerweise RSA bekämpfen, hatten sich gegen die eigenen Insulin produzierenden „Beta-Zellen“ des Inselorgans gewandt. Es gibt offensichtlich Ähnlichkeiten zwischen Beta-Zellen und RSA - die gewöhnlich jedoch keine Probleme bereiten, da RSA eigentlich nichts im menschlichen Körper zu suchen hat. Die Verabreichung von Kuhmilch innerhalb der ersten drei Lebensmonate führt häufig zu einem vollständigen Insulinmangel.

Asthma (grch. „asthma“, Atemnot) ist eine chronische entzündliche Erkrankung der Atemwege 50. Es kommt zu anfallsartiger Atemnot infolge von Verengungen der Atem­wege, bedingt durch vermehrte Schleimabsonderung 51, Flüssigkeitsansammlungen in der Bronchialschleimhaut und Verkrampfungen der Bronchialmuskulatur. Asthma beginnt gewöhnlich im Kindesalter und ist die häufigste chronische Erkrankung dieses Lebensabschnitts. Etwa 10 % der Kinder und etwa 5 % der Erwachsenen sind betroffen.

Asthma gilt zum Teil als allergische Erkrankung, das heißt als Reaktion auf allergene Stoffe, zum Teil als nichtallergische Erkrankung, das heißt als Reaktion auf andere Reize, bsw. Medikamente oder Gifte, oder als Komplikation im Zusammenhang mit Infektionen der Atemwege.

Zur allergischen Reaktion: Wenn das Allergen zum ersten Mal im Körper auftaucht und von patrouillierenden weißen Blutzellen aufgegriffen wird, lösen letztere die Produk­tion spezifischer Antikörper aus. Die Antikörper haben die Aufgabe, das Allergen zu binden und zu zerstören. Sie lagern sich an „Mastzellen“ an, die über den ganzen Körper verteilt, insbesondere in den Schleimhäuten von Darm und Atemwegen, liegen 52. Sollte das Antigen ein zweites oder weiteres Mal in den Körper gelangen, binden die Antikörper das Allergen und aktivieren ihre Mastzellen. Die Mastzellen schütten den Botenstoff Histamin aus. Das Histamin verteilt sich in der Umgebung und verursacht sofortige, heftige Reaktionen als Einleitung einer Immunantwort.

Es gibt mehrere Klassen von Antikörpern, mit denen das Immunsystem arbeitet. In der obigen Reaktion sind sogenannte IgE-Antikörper wirksam 53. Sie dienen eigentlich der Abwehr von Parasiten und Würmern. Das Immunsystem setzt sie jedoch auch gegen Milchproteine ein. IgE-Antikörper sind die klassischen Auslöser der Milchallergie.

Es sind nur 20 Aminosäuren, die alle pflanzlichen und tierischen Eiweiße zusammen­setzen. Sie bilden lange Reihen mit nur wenigen Seitenketten. Die unterschiedliche Reihenfolge jedoch macht die schier unendliche Vielfalt von Eiweißen aus, die es in der Natur gibt. Im menschlichen Körper werden die mit der Nahrung zugeführten Eiweiße zunächst in die einzelnen Aminosäuren zerlegt. Ort des Geschehens sind Magen und Dünndarm. Erst anschließend werden daraus - in den Zellen - körpereigene Eiweiße aufgebaut. Es gibt im Grunde also keine Eiweiße von hoher oder niedriger Qualität. Es gibt nur Eiweiße, deren Aminosäuren mehr oder weniger gebraucht werden, und Ei­weiße deren Reihenfolge von Aminosäuren bekannt oder unbekannt („artfremd“) ist. Tierische Eiweiße sind – im Gegensatz zu pflanzlichen – zum großen Teil artfremd. Sie sind schlecht oder gar nicht spaltbar 47. Sie passieren die Magen-Darm-Passage, und was in das Blut aufgenommen wird, vagabundiert im Körper. Das Immunsystem reagiert und versucht, die Fremdstoffe loszuwerden. (Es ist im Grunde die gleiche Reaktion, die Organtransplantationen so schwierig macht. Man muss das Immunsystem dauerhaft schwächen, so dass es das fremde Organ nicht abstößt.)

Der Körper kann nur begrenzte Mengen an Eiweißresten in einer gegebenen Zeiteinheit ausscheiden. Der Rest lagert sich im Laufe der Zeit im Zellzwischenraum ab: in Bron­chien und Lungen (beim Asthma), im Gehirn (bei der Alzheimerschen Krankheit), in den Nieren, in der Prostata, in den Eierstöcken usw. Die Haut sieht häufig blass und pickelig aus, das Gewebe dicklich und schwammig. (Bodybuilder nutzen den Ein­lagerungseffekt, um ihre Muskeln aufzublähen. Die Spätfolgen sind unbekannt oder interessieren nicht.)

„Milch am Morgen – ein Tag ohne Sorgen!“ heißt es in der Werbung. Für mehr als tau­send türkische Schulkinder sah das eines Tags im Mai 2013 anders aus 91. Sie mussten mit Übelkeit und heftigen Bauchschmerzen in Krankenhäuser gebracht werden. Was war geschehen? Sie hatten zuvor Milch getrunken, die erstmals „als Beitrag zur gesunden Ernährung“ in den unteren Klassen der staatlichen Schulen verteilt worden war. Es war ein Großeinsatz für die Kliniken. Regierungsvertreter meinten, die Kinder hätten entweder ein Milchallergie oder zu viel Milch getrunken ...

 

 

Die Geschichte vom Kalzium in der Milch

Calcium (vom lat. „calx“, Gen. „calcis“, Kalk; allgemeinsprachl. „Kalzium“) ist mit etwa 1 kg der mengenmäßig am meisten vertretene Mineralstoff im erwachsenen menschlichen Körper 54. 99 % davon befinden sich in den Knochen und Zähnen. In Form von Calciumphosphat – in Verbindung mit Phosphor - gibt es ihnen Stabilität und Festigkeit.

Calcium hat jedoch noch viele weiteren Funktionen, z. B. bei der Muskelkontraktion oder bei der Leitung elektrischer Impulse entlang der Nerven. Eine gewisse Menge an Calcium muss daher stets im Blut vorhanden sein. Die Knochen dienen in diesem Zusammenhang als Speicher. Die Steuerung des Calcium-Spiegels ist Sache der Neben­schilddrüse (Glandula parathyroidea). Wenn der Calcium-Spiegel zu stark abfällt, schüttet sie ein Hormon aus: das nach ihr benannte Parathormon, kurz PTH 5. Es löst Calcium und Phosphor aus den Knochen und sorgt dafür, dass die Nieren Calcium zurückhalten und Phosphor ausscheiden. Wenn sich der Calciumspiegel erholt hat, stellt die Nebenschilddrüse die Ausschüttung von PTH ein.

Kuhmilch enthält vier- bis fünfmal soviel Calcium wie menschliche Muttermilch 47, 49. Das Kalb braucht schließlich riesige Mengen an Calcium, um innerhalb kurzer Zeit ein gewaltiges Skelett aufzubauen. In der Tat enthält kein Lebensmittel in den Supermarkt­regalen mehr Calcium als Milch und Milchprodukte. 1 L Milch enthält ungefähr 1 g Calcium, ebenso viel wie etwa 150 g Käse. Der Mensch kann jedoch kaum Nutzen daraus ziehen; und das hat mit den großen Mengen an Eiweißen und Phosphaten und der geringen Menge an Magnesium in der Milch zu tun.

Bei seinen Versuchen, Milcheiweiße zu verdauen, verbraucht der Körper große Mengen an Calcium 47. Die Eiweißtrümmer sind sauer (Aminosäuren); und der Körper ver­wendet (basisches) Calcium, um die Säuren zu neutralisieren und abzubauen Die Produkte werden nach Möglichkeit über die Nieren ausgeschieden - sie werden immer und immer wieder belastet. Der Rest lagert sich im Körper ab.

Je mehr tierisches Eiweiß dem Körper zugeführt wird, desto mehr Calcium verbraucht er also – und desto mehr ist er gezwungen, seine Knochen zu entmineralisieren 47, 49. Das ist das Problem bei der Osteoporose (vom grch. „osteon“, Knochen + „poros“, Öffnung, Pore: Abnahme der Knochendichte; auch „Knochenschwund“). Der ständige Abbau von Knochensubstanz betrifft insbesondere die Wirbeln. Es kommt zu Rückenschmerzen, Deformierungen der Wirbelsäule, einem Verlust an Körpergröße und einer Neigung zu Knochenbrüchen - typischerweise am Oberschenkelhals (siehe Abbildung 5). Letzteres hat dazu geführt, dass jährlich in Deutschland 150.000 künstliche Hüftgelenke ein­gesetzt werden 56.

Abb. 5: Rechtes Hüftgelenk (von vorn). In der Mitte der Schenkelhals.

Eine wichtige Rolle spielt diesem Zusammenhang Östrogen (vom grch. „oistros“, Stachel; Leidenschaft + „genes“, hervorbringend, bewirkend: ein weibliches Sexual­hormon, das in geringen Mengen auch im männlichen Körper vorkommt). Es hat auch die Funktion, den Knochenaufbau zu fördern und den Knochenabbau zu hemmen. Deshalb sind insbesondere Frauen nach der Menopause von Osteoporose betroffen.

In Asien, wo aufgrund der allgemeinen Laktoseintoleranz kaum Milch oder Milch­produkte verzehrt werden, gibt es kaum Osteoporose. (Für die Chinesen ist Käse „verdorbene Milch“.) In den Ländern, in denen der Milch- und Fleischkonsum am höchsten ist - in den USA und in Skandinavien - sind auch die Osteoporose-Zahlen am höchsten.

Milch enthält auch große Mengen an Phosphor (in gebundener Form als Phosphat). Der menschliche Körper braucht natürlich Phosphat, doch liegen Phosphat und Calcium gleichzeitig im Darm vor, wird die Aufnahme von Calcium gehemmt 47, 57.

Bei einer akuten Erhöhung des Phosphat-Spiegels stehen Symptome des Calcium-Abfalls im Vordergrund: Muskelkrämpfe und Herzrhythmus-Störungen, die im Extrem­fall zum Tod führen können. Bei eine chronischen Erhöhung schließen sich Calcium und Phosphat – nun an der falschen Stelle - zu Calciumphosphat zusammen und ver­kalken als solches Blutgefäße und Gewebe. Regulationsmecha-nismen, wie die Aus­schüttung von PTH durch die Nebenschilddrüse, greifen nicht mehr, wenn die Nieren zugrundegehen. Die Behandlung der Wahl ist dann die Dialyse: die Blutwäsche in der „künstlichen Niere“.

Damit der Körper Calcium überhaupt verwenden kann, braucht er jedoch noch ein ande­res Element: Magnesium 47, 58. Obgleich jedes Element einzigartig ist, so ist Magnesium doch ein beson­deres Element, indem es etwa drei Viertel aller Enzyme des Körpers akti­viert. Über 300 biochemische Vorgänge im Körper hängen von Magnesium ab 59, 60. Ohne Magnesium ist Vitamin C nutzlos, ohne Magnesium bleibt Insulin untätig, ohne Magnesium verspannt sich die Muskulatur.

Calcium und Magnesium wirken oft komplementär, sprich ergänzen sich gegen­seitig 59, 60. Die wichtigsten Enzyme für die Aktivierung, den Transport und die Lage­rung von Vitamin D sind magnesiumabhängig. Vitamin D wiederum wird benötigt, um Calcium durch die Darmwand ins Blut zu schleusen. Vitamin D hält Calcium in den Nieren zurück und wirkt damit der Ausschüttung von PTH und auf diese Weise der Auslösung von Calcium und Phosphat aus den Knochen entgegen.

Der Körper kann ohne Magnesium nichts mit Calcium anfangen. 2 : 1 gilt als das ideale Verhältnis von Calcium : Magnesium in der Nahrung. In der Kuhmilch beträgt es 10 : 1, im Emmentaler 30 : 1. Genau hier haben wir also einen weiteren Grund, weshalb Kuh­milch keinen Calcium-Mangel behebt, sondern schafft – und auch dafür, dass isolierte Nahrungsergänzungen nichts nützen.

Einen Beleg dafür liefern uns wiederum die Amerikaner 47. Die USA sind nicht nur das Land mit dem höchsten Milchkonsum, sondern auch mit dem höchsten Konsum von Calci­um-Nahrungsergänzungen. Und gleichzeitig haben sie auch die höchste Osteo­porose-Rate des Planeten.

Da Calcium nach Magnesium verlangt, wird das Calcium, das mit der Milch – und zusätzlichen Calcium-Tabletten – irgendwie in den Körper gelangt, nun zum Problem. Es zehrt die körpereigenen Magnesium-Bestände auf und führt auf diese Weise zum weit verbreitete Phänomen des Magnesium-Mangels 61. Im Säuglings- und Kleinkin­dalter zeigen sich Geburtskomplikationen, leichte Gedeihstörungen, Infektanfällig­keit, erhöhte Krampfneigung und Zahnprobleme 61. Im Schulkindalter gibt es Konzentra­tions- und Schlafstörungen, Nervosität, Bauch- und Kopfschmerzen und Kollapszu­stände. (Die Symptome erinnern an das Erscheinungsbild der mysteriösen Aufmerksam­keitsdefizit-Hyperaktivität-Störung, auch bekannt als „ADS“). Ab dem 10. Lebens­jahr treten Muskelkrämpfe auf, ab dem 15. Lebensjahr Beklemmungsgefühle und Atem­not. Im Erwachsenenalter kommt es zu rascher Erschöpfbarkeit, erhöhtem Schlafbedürf­nis, Kopfschmerzen, Migräne. Ab dem 30. Lebensjahr nehmen die Verkrampfungen zu; sie betref­fen typischerweise Waden, Fußsohlen und Bauchwand. (Man spricht von „Teta­nie“ oder „tetanischen Krämpfen“, vom grch. „tenatos“, Spannung, im Unterschied zu den zentralnervös ausgelösten Krampfanfällen der Epilepsie.) Später können neuronale Aus­fallserscheinungen, z. B. Empfindungsstörungen an Zehen oder Fingerspitzen, dazu­kommen.

Muskelkrämpfe sind charakteristisch für einen Magnesium-Mangel; Muskelkrämpfe im Ruhestand beruhen aber eher auf einem Calcium-Mangel – womit wir wieder bei den komplementären Eigenschaften der beiden Elemente angelangt wären. Calcium- und Magnesium-Mängel sind schon deshalb so weit verbreitet, weil sowohl Calcium wie auch Magnesium im ungebundenen (Ionen-) Zustand basisch reagieren: Sie können Elektronen aufnehmen und Säuren neutralisieren. Deshalb werden sie ständig und in großen Mengen gebraucht, um der Gefahr einer Übersäuerung des Körpers entgegen­zuwirken, die nicht nur mit der Milch, dem Käse und dem Joghurt mitgeliefert wird, sondern auch mit Fleisch, Wurst, Süßigkeiten, Alkohol, Kaffee, Zigaretten und der­gleichen.

„Die Milch macht's!“, sagt uns wiederum die Werbung. Doch was genau? Merkwürdig, in diesem Zusammenhang: 1974 wurde in den USA der Slogan „Jeder braucht Milch“ verboten, als klar wurde, dass es ein Irrtum oder eine Lüge war 62.

Pflanzenfresser ernähren sich in erster Linie von grünen Pflanzen. Sie enthalten nicht nur Calcium, sondern auch auch ausreichende Mengen an Magnesium. Kühe decken ihren Magnesium-Bedarf, indem sie riesige Mengen an Gras und Heu fressen. Das darin enthaltene Chlorophyll (vom grch. „chloros“, grün, frisch + „phyllon“, Blatt: „Blatt­grün“) beinhaltet Magnesium als zentrales Atom des Komplex-Moleküls. Auch grünes Blattgemüse enthält Chlorophyll in großen Mengen. Calcium und Magnesium im Verhältnis 2 : 1 und in aufnehmbarer Form sind auch als Nahrungsergänzung unter den Bezeichnungen „CalMag“, „Cal-Mag“, „Cal/Mag“ o. ä. erhältlich.

 

Die Milch von heute

In der modernen Milchviehhaltung werden die Kälber direkt nach der Geburt von ihrer Mutter getrennt 63. Die männlichen Kälber („Fresser“) werden entweder zur Zucht verwendet oder gemästet, um nach 12 bis 18 Monaten geschlachtet zu werden. Die weiblichen Kälber („Färsen“) werden mit 18 Monaten künstlich oder mittels „Natur­sprung“ besamt, so dass sie mit etwa 27 Monaten zum ersten Mal kalben. Die erste Milch („Biestmilch“) bekommt noch das Kalb, dann beginnt die Milchentnahme, wobei die Kuh täglich zwei- bis dreimal gemolken wird. Die Milchleistung steigt nach der Geburt des Kalbes an, erreicht nach vier bis sechs Wochen ihr Maximum und fällt dann ab. Sobald die Kuh wieder fortpflanzungsfähig ist (mit dem nächsten Eisprung), wird sie wiederum besamt. Die Tragzeit dauert etwa neun Monate. Kurz vor der nächsten Kalbung wird die Kuh „trockengestellt“, das heißt nicht mehr gemolken. Angestrebt werden acht Wochen, in denen sich das Euter der Kuh regenerieren soll. Usw. Die durchschnittliche jährliche Milchleistung einer solchen „Hochleistungskuh“ beträgt um die acht Tonnen. Die Produktionsanlagen sind entsprechend ausgerichtet (siehe Abbil­dung 6).

Abb. 6: Melkkarussel eines modernen Milchproduktions-Betriebs.

Die gequälten Tiere sind natürlich krankheitsanfällig 47. Das ständige Melken führt zu vergrößerten Eutern, entzündeten Zitzen und Milchgängen. Übermolkene Euter bluten und eitern. Die gestörte Blutzirkulation lässt Zitzen absterben. Getreide-Eiweiß-Kraft­futter führt zur Übersäuerung des Magens.

Die „Lösung“ sind Medikamente, insbesondere Antibiotika (vom grch. „anti“, gegen + „bios“, Leben: Medikamente zum Abtöten von Mikroorganismen) 47, 62, 64, 65 . Sie werden ohne große Bedenken eingesetzt. 16.000 t (2012 in der gesamten deutschen Tierindus­trie) legen das zumindest nahe. Einiges davon gelangt in die Gewässer, einiges ins Fleisch, einiges in die Milch – und damit auch in den „Verbraucher“.

Der Mensch hat mehr Bakterien im Darm als Zellen im ganzen Körper. Sie machen in ihrer Gesamtheit die Darmflora aus. Antibiotika in der Nahrung haben ihren Zweck verfehlt; sie töten nun Bakterien der Darmflora – ohne die keine Verdauung funktio­nieren kann. Antibiotika machen darüber hinaus „Keime“ resistent: andere Bakterien, die nicht in die Darmflora gehören, sich aber dort eingenistet haben 64. Solange sie nicht zugrunde gehen, können sie sich auf die Antibiotika einstellen. Sie sind ein Gesund­heitsrisiko, weil sie sich auch dann als resistent erweisen können, wenn es notwendig sein sollte, Antibiotika gegen sie einzusetzen.

Schlimm genug. Die moderne Milchviehhaltung hat jedoch noch etwas anderes einge­führt, was vielleicht noch weitreichendere Folgen hat. Die moderne Milchkuh ist gewöhnlich trächtig, und sie wird – im Gegensatz zu früher – auch noch in der zweiten Hälfte der Tragzeit gemolken. Und das bringt eine ganze Menge an Geschlechts­hormonen in die Milch 66, 67.

Die beiden wichtigsten weiblichen Geschlechtshormone sind Östrogene und Gestagene (vom lat. „gestatio“, das Tragen; zu „gestare“, tragen; trächtig, schwanger sein + „genes“, bewirkend, hervorbringend) 68, 69. Entscheidend ist, dass die Übereinstim­mungen zwischen Menschen und Rindern in diesem Fall sehr hoch sind.

Was Menschen betrifft, so werden Östrogene im weiblichen Körper hauptsächlich in den Eierstöcken und in der Nebennierenrinde, beim Mann in kleinen Mengen in den Hoden produziert. Gestagene werden bei der Frau hauptsächlich in den Eierstöcken und während einer Schwangerschaft auch in der Plazenta, beim Mann hauptsächlich in den Hoden gebildet. Im weiblichen wie im männlichen Körper kommen geringe Mengen an Gestagenen auch aus der Nebennierenrinde.

Östrogene sind maßgeblich beteiligt an der Entwicklung der primären weiblichen Geschlechtsmerkmale, das heißt der weiblichen Geschlechtsorgane, und der sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale, das heißt der weiblichen Brüste und Körperformen. Östrogene regeln bei beiden Geschlechtern die Körpergröße, indem sie das Längen­wachstum der Röhrenknochen abschließen. Sie sind darüber hinaus am stetigen Knochenaufbau beteiligt, indem sie die knochenbildenden Zellen („Osteoblasten“) des Knochengewebes aktivieren.

Östrogene und Gestagene regeln den Monatszyklus und die Schwangerschaft der Frau. Als Beginn des Zyklus ist der erste Tag der Monatsblutung, als Ende der Tag davor festgelegt. Ein Zyklus dauert normalerweise zwischen 23 und 35 Tage 68 -75.

  • Ein niedriger Östrogen/Gestagen-Blutspiegel führt zu einer Reaktion im Hypo­thalamus (vom grch. „hypo“, unter + lat. „thalamus“, vom gleichbed. grch. „thalamos“, Kammer, Schlafgemach: tief gelegene Region des Gehirns, das mit der Steuerung grundlegender, unwillkürlicher Funktionen beschäftigt ist; der Hypothalamus liegt „unter“ dem „Thalamus“). (Siehe Abbildung 7.) Die Reak­tion besteht in der Ausschüttung von GnRH.

   Gonade: vom grch. „gone“, Erzeugung + „aden“, Drüse: Geschlechtsdrüse      (Eierstock bzw. Hoden)

   -trop: vom grch. „trope“, Drehung, Wendung; Wortbildungselement mit der    Bedeutung „sich in eine bestimmte Richtung wendend, auf etwas einwirk-        end“

   Gonadotropin: auf die Geschlechtsdrüsen wirkendes Hormon

   releasing: englisch freisetzend; zu „release“, freilassen, freisetzen

   Gonadotropin-Releasing-Hormon: Hormon, das die Freisetzung von            Gonadotropinen bewirkt; kurz GnRH

Abb. 7: Menschlicher Schädel im Längsschnitt. In der Mitte Hypothalamus und Hypophyse.

  • GnRH wandert mit dem Blutstrom in die Hypophyse (vom grch. „hypophysis“, Spröss­ling, Anhang: eine am Hypothalamus sitzende Drüse; auch „Hirnanhang­drüse“). (Siehe wiederum Abbildung 7.) Es bewirkt dort die Freisetzung des Gonadotropins FSH.

   FSH: kurz für „follikelstimulierendes Hormon“

   Follikel: vom lat. „folliculus“, Säckchen, Beutelchen; Verkleinerungsform        von „follis“, Sack, Beutel: Hülle einer (in der Eierstockrinde liegenden) Ei-        zelle

  • FSH gelangt wiederum mit dem Blutstrom in die Eierstöcke („Ovaria“, Sing. „Ovarium“). (Siehe Abbildung 8.) FSH stimuliert dort die Reifung von Folli­keln: jeweils etwa 40 bis 100, die nun Östrogen produzieren. Das gebildete FSH reicht aber nur für einen Follikel aus: für denjenigen, der am meisten davon aufnehmen kann. Er wird zum „dominanten Follikel“; die restlichen gehen unter. Der Anfangs noch nicht allzu hohe Östrogen-Spiegel wirkt negativ rück­koppelnd auf die GnRH- und damit FSH-Ausschüttung. Auf diese Weise wird die Reifung eines weiteren Follikels verhindert. Deshalb ist es auch jedes Mal dem Zufall über­lassen, welcher Eierstock den Follikel produziert. (Beim Verlust eines Eier­stocks, ist der andere gewöhnlich in der Lage, die Aufgaben allein zu erfül­len.)
  • Der verbliebene Follikel produziert um so mehr Östrogen, je größer er wird. Bei einem weiter ansteigenden Östrogen-Spiegel kommt es zum Aufbau von Gebär­mutterschleimhaut und zur Verflüssigung des Schleims, der gewöhnlich den Gebärmutterhals („Cervix“) verschließt, so dass er für Spermien durchlässig wird.

Abb. 8: Innere Geschlechtsorgane der Frau.

  • Bei einem sehr hohen Östrogen-Spiegel schlägt die negative in eine positive Rückkopplung um. Der Hypothalamus schüttet wieder mehr GnRH aus. Die vermehrte Ausschüttung von GnRH führt in der Hypophyse zur Freisetzung eines weiteren Gonadotropins: LH.

   Corpus luteum: lat. „corpus“, Körper; „luteum“, gelb: „Gelbkörper“ (siehe      unten)

   LH: kurz für „luteinisierendes Hormon“ oder „gelbkörperbildendes Hormon“

Unter dem Einfluss von LH kommt es, ungefähr in der Mitte des Zyklus, zum Follikel­sprung (auch „Eisprung“). Das heißt, das reife Ei löst sich aus dem Fol­likel. Es hat einen Durchmesser von etwa 0,1 mm und braucht ungefähr 3 Tage für seine Wanderung über den Eileiter in die Gebärmutter („Uterus“). Eine Befruchtung ist in den ersten 12 bis 24 Stunden nach dem Eisprung möglich.

  • Der Rest des geplatzten Follikels wird als Gelbkörper („Corpus luteus“) bezeichnet. Er produziert zunächst noch geringe Mengen an Östro­gen, zuneh­mend aber Progesteron (vom lat. „progerere“, heraustragen, hervorbringen: ein Hormon aus der Gruppe der Gestagene). Unter dem Einfluss von Progesteron wird die Gebärmutterschleimhaut auf die mögliche Einnistung eines befruchte­ten Eis vorbereitet, indem die Gefäßversorgung erweitert wird und Drüsen der Schleimhaut ein nährstoffhaltiges Sekret absondern. Der Schleim im Gebär­mutterhals­ wird wieder verdickt wird, so dass er für Spermien undurchlässig ist. Das Milchgangsystem der Brustdrüsen wird entwickelt. Progesteron wirkt darüber hinaus negativ rückkoppelnd auf die Ausschüttung von GnRH und damit FSH und LH (die ihre Aufgabe ja erfüllt haben).
  • Kommt es zu keiner Schwangerschaft, so ist der LH-Spiegel 14 Tage nach dem Follikelsprung so weit abgesunken, dass der Gelbkörper untergeht. Die Pro­gesteron-Produktion versiegt. Ohne Progesteron kann die Gebärmutterschleim­haut nicht fortbestehen. Sie löst sich ab und wird in der Monatsblutung abge­stoßen. Der Mangel sowohl an Östrogen wie auch Gestagen bzw. Progesteron hebt die negative Rückkopplung auf die Ausschüttung von GnRH auf, und ein neuer Zyklus beginnt.
  • Wenn die Eizelle befruchtet wird, nistet sie sich in etwa einem Viertel der Fälle in der Gebärmutterschleimhaut ein, und es kommt zur Schwangerschaft. Gesta­gene werden während der Schwangerschaft von der Plazenta (vom lat. „pla­centa“, flacher Kuchen: auch „Mutterkuchen“) gebildet. Sie verhindern die Reifung einer weiteren Eizelle und verfestigen den Schleim im Gebärmutterhals, so dass der Embryo ungestört heranwachsen kann.

Die obigen Mechanismen finden Anwendung bei der Antibabypille 69, 75. Die „Mikro­pille“ enthält Östrogene und Gestagene in verschiedener Mischung. Östrogene in hoher Konzentration hemmen die Ausschüttung von GnRH und damit von FSH. Ohne FSH gibt es keine Follikelreifung und damit auch keine befruchtungsfähige Eizelle. Die Gestagene verhindern die Einnistung einer Eizelle, sollte es doch zu einem Eisprung gekommen sein, und verfestigen darüber hinaus den Gebärmutterhalsschleim. Die „Minipille“ enthält ausschließlich Gestagene und wirkt deshalb lediglich über einen Verschluss des Gebärmuttermunds. Bei langwirkenden Verhütungsmitteln wie der „Dreimonatsspritze“ oder dem „Verhütungsring“ (auch „Vaginalring“) kommen eben­falls nur Gestagene zum Einsatz. Gestagene werden auch in der Tiermedizin verwendet, um Läufigkeit zu unterdrücken.

Die Bevölkerungsentwicklung – der Trend von Geburtenrate minus Sterberate – hängt von zahllosen Faktoren ab 76, 77. Sie werden durch Zuwanderung und Auswanderung verzerrt. Wo Verhütungsmittel verwendet werden, kann man nicht ohne weiteres fest­stellen, woran es liegt, wenn Frauen keine Kinder bekommen.

Tatsache ist jedoch, dass die Bevölkerungszahlen der Industrieländer zurückgehen – während die der Entwicklungs- und Schwellenländern stark zuneh-men. In Deutschland machen wir uns schon seit einiger Zeit Gedanken über eine schrumpfende Bevölkerung. Tatsache ist aber auch, dass die Produkte der modernen Milchindustrie gewöhnlich von trächtigen Kühen stammen. Deshalb ist es kaum möglich, dass sie Schwangerschaften ausschließlich bei Kühen verhindern – dass sie nicht als Verhütungsmittel wirken.

 

Mehr zu den Beziehungen zwischen Menschen und Kühen

Akio Sato von Universität Yamanashi warnt schon seit langem vor den hohen Hormon­konzentrationen der Milch 66, 78. In der Medical Hypotheses vom 23. August 2005 schreibt er: „Die weltweit ständig steigende Häufigkeit einiger hormongesteuerter Krebsarten gibt Anlass zu großer Besorgnis … Wir sind insbesondere hinsichtlich der Kuhmilch besorgt, die eine beträchtliche Menge an Östrogenen enthält. Wenn wir Kuh­milch als eine der wesentlichen Quellen der Östrogene nennen, denen Menschen heute ausge­setzt sind, sagen uns die Vertreter des westlichen Welt gewöhnlich: ,Der Mensch trinkt seit 2.000 Jahren Milch, ohne dass es ihm merklich geschadet hätte.ʻ Doch die Milch, die wir heute konsumieren, unterscheidet sich ganz wesentlich von der Milch, die wir vor 100 konsumiert haben. Im Gegensatz zu ihren Vorfahren nämlich, die vor 100 Jahren auf der grünen Wiese weideten, sind die modernen Milchkühe gewöhnlich trächtig; und sie werden auch noch während der zweiten Hälfte ihrer Tragzeit gemolken, wenn die Konzentration der Östrogene im Blut und damit auch in der Milch ansteigt.“

Sato berichtet im folgenden von einer Studie, in der er den Zusammenhang zwischen Brustkrebs, Eierstockkrebs und Gebärmutterkrebs (1993-1997) und den verzehrten Lebensmitteln (1961-1997) in 40 Ländern ermittelt hat.

Die Korrelation (vom lat. „correlatio“, wechselseitige Beziehung) ist ein Maß für den Zusammenhang zwischen zwei oder mehr Variablen. Sie kann Werte zwischen +1 und -1 annehmen. Der Wert +1 beschreibt einen vollständig positiven Zusammenhang: wenn das eine da ist, ist das andere immer auch da. Der Wert -1 beschreibt einen vollständig nega­tiven Zusammenhang: wenn das eine da ist, ist das andere nie da. Der Wert 0 besagt, dass kein Zusammenhang zwischen beiden Variablen besteht: wenn es das eine gibt, gibt es das andere in der einen Hälfte der Fälle auch, in der anderen Hälfte der Fälle nicht.

Beispiel: Variable 1 sei „deutsch“, Variable 2 sei „blond“. Bei einer negativen Korrelation wären weniger als die Hälfte der Deutschen blond, bei einer positiven Korrelation wären mehr als die Hälfte der Deutschen blond. 0,25 wäre eine leichte positive Korrelation, 0,75 eine starke positive Korrelation. In den skandinavischen Ländern ist die Korrelation beson­ders stark: sehr viele Leute haben blonde Haare.

Im folgenden die stärksten Korrelationen, die Sato für die verschiedenen Krebsarten erhielt – und die seine „große Besorgnis“ begründen 66, 78:

Krebsart

Lebensmittel

Korrelation

Brustkrebs

Fleisch

0,827

 

Milch

0,817

 

Käse

0,751

 

Eierstockkrebs

Milch

0,779

 

Tierische Fette

0,717

 

Käse

0,697

 

Gebärmutterkrebs

Milch

0,814

 

Käse

0,787

Sato reiste 2006 in die Mongolei, um die dortige traditionelle Milchwirtschaft zu studieren und mit der japanischen zu vergleichen - und da sich die deutsche und die japanische Milchindustrie nicht wesentlich voneinander unterscheiden, sind seine Ergebnisse sicherlich auch für uns relevant 67.

Japan hat keine Tradition in Sachen Milchwirtschaft. Die ersten Kühe wurden erst im 19. Jahrhundert eingeführt. Seitdem hat man jedoch „aufgeholt“, und heute wird - trotz Laktoseintoleranz – erstaunlich viel an Milch und Milchprodukten konsumiert. In Deutsch­land werden rund 30 Millionen Tonnen Milch jährlich erzeugt. In Japan sind es „nur“ 8 Millionen. Japan deckt aber ca. 10 % seines Konsums an Molkereiprodukten durch Impor­te. Deutsch­land hingegen exportiert mehr, als es importiert 79, 80.

Wie in der traditionellen Milchwirtschaft üblich, werden die Kühe bei sichtbarer Träch­tigkeit (ab dem dritten Monat) nicht mehr gemolken 67. Sato untersuchte die Milch auf ihre Inhaltsstoffe hin und verglich die Ergebnisse mit denen, die er aus Untersuchungen der Milch aus der konventionellen japanischen Milchwirtschaft erhalten hatte.

Die Konzentration an freiem Östrogen war in der Industriemilch doppelt so hoch wie in der Rohmilch aus der traditionellen Milchwirtschaft. Die Kon­zentration an gebundenem Östrogen war ungefähr um 1/3 erhöht.

Progesteron ist von Haus aus in viel größeren Mengen in der Milch enthal­ten als Östrogen. So fiel der Unterschied hier noch gravierender aus. Die Industrievollmilch enthielt das 7- bis 8-Fache der Progesteron-Menge der Rohmilch aus traditioneller Produktion. Bei der Molke fand er die 15-fache, beim Milchfett die 11-fache Menge.

Bei derartigen Hormonladungen der Milch kann man annehmen, dass ein Teil davon ins Blut gelangt. Die Industriemilch wird erhitzt und teilweise homogenisiert, so dass die Moleküle zerstückelt und klein genug sind, um die Magen-Darm-Schranke zu über­winden (die ansonsten verhindert, dass Fremdstoffe, die den Magen passieren, auch die Darmwand durchdringen).

Progesteron ist das klassische „Schwangerschaftshormon“ 67. Es kommt natürlicher­weise nur in geringen Mengen in der Milch vor, da Kälber kein Schwangerschafts­hormon brauchen. Progesteron ist aber wichtig für den Embryo – das werdende Kalb im Mutterleib. Es schützt den Embryo vor der Immunabwehr der Mutter. Mit anderen Worten, es verhindert, dass das mütterliche Immunsystem den Embryo als Fremdkörper identifiziert und angreift. Deshalb findet man in der Milch trächtiger Kühe vielfach erhöhte Progesteron-Konzentrationen.

Leider schützt Progesteron nicht nur Embryonen, sondern auch Tumoren 67, 81, 82, 83, 84. Der Zusammenhang wurde zuerst bei Brustkrebs festgestellt, scheint aber auch bei anderen Krebsarten zu bestehen. Elisabeth Rieping hat sich damit beschäftigt 67.

Progesteron schaltet die mütterliche Immunabwehr über spezifische Proteine aus. Einige davon sind auch als Tumormarker bekannt: Proteine oder andere Substanzen, die im Blut oder im Gewebe vorkommen und deren erhöhte Konzentration auf einen Tumor hindeutet 83. Dazu gehören CA 15-3 und CA 125. CA 15-3 wird bei Brustkrebs und Eierstockkrebs, CA 125 bei Eierstockkrebs gefunden. Doch sie lassen sich auch bei anderen Krebsen, z. B. Prostatakrebs, finden, wenn man danach sucht. Allem Anschein nach beachtet man sie nicht, weil man sich nicht vorstellen kann, woher bei den oftmals hoch betagten Patienten progesterongesteuerte Embryoschutzproteine kommen könnten.

Ein weiterer progesteronabhängiger Tumormarker ist VEGF: ein Wachstumsfaktor, der beim Embryo dafür sorgt, dass Blutgefäße gebildet werden. Beim Diabetiker fördert es die Einsprossung von Gefäßen in die Netzhaut, was zur Erblindung führen kann.

VEGF findet sich auch beim Medulloblastom (vom lat. „medulla“, Mark + grch. „blastos“ Keim + „-om“ Wortendung mit der Bedeutung „Geschwulst“; Betonung auf der letzten Silbe). Das Medulloblastom ist im Kleinhirn (im Hinterhaupt) lokalisiert. Wenn es wächst, drückt es auf den hintersten Teil des Gehirns: die „Medulla oblongata“ (lat. verlängertes [Rücken]Mark). Daher die Bezeichnung. Das Medulloblastom ist der häufigste bösartige Hirntumor im Kindes- und Jugendalter.

Progesteron behindert aber nicht nur die Immunabwehr; es unterdrückt auch die Bildung eines Proteins, das für den geregelten Zelltod mitverantwortlich ist. Die Rede ist von p53. Ist zu viel Progesteron im Blut, wir gar kein p53 mehr gebildet; und Krebs­zellen können ungehindert wuchern.

Die Milch trächtiger Kühe enthält aber nicht nur erhöhte Konzentrationen an Sexual­hormonen, sondern auch Wachstumshormonen. Sato hat in seiner Studie von 2005 bereits darauf hingewiesen 66. Der Embryo (nach Ausbildung der inneren Organe, beim Menschen ab der elften Lebenswoche, spricht man vom „Fötus“) muss wachsen. Spezi­fische Wachstumshormone sind bei Menschen und Rindern wiederum identisch. Die Forschung dazu wurde erst in der zweiten Hälfte der 90-er Jahren aufgenom­men 81, 82, 84. Sie betreffen IFG-1 und IFG-2.

IGF: kurz für engl. „Insulin-like Growth Factors“, insulinähnliche Wachstums-faktoren: Proteine, die vom Aufbau her eine starke Ähnlichkeit mit Insulin aufweisen und Wachstum und Differenzie­rung von Zellen bewirken. IGF-2 scheint eher in der vorgeburtlichen Lebensphase, IGF-1 eher in der Zeit danach für die Wachstumsmaximierung zuständig zu sein.

IGF ist für den menschlichen Körper unentbehrlich. Es wird insbesondere in der Leber, aber auch anderen Geweben des Fötus, des Heranwachsenden und Erwachsenen produ­ziert. IGF entfaltet seine Wirkung über spezifische IGF-Rezeptoren (Rezeptor: vom gleichbed. lat. „receptor“, Empfänger: „Andockstelle“). Sie sitzen an den Zellmem­branen und sind in fast allen Geweben und bei den meisten Zelltypen vorhanden.

IGF-1 wird allerdings auch mit der Milch und Milchprodukten aufgenommen. Es gelangt mit Bestandteilen des Caseins durch die Darmwand, ebenso mit Fettpartikeln, die durch die Homogenisierung der Milch zerkleinert wurden. IGF-1 übersteht die Verdauung und tut im Körper das, was seine Aufgabe ist: für Wachstum zu sorgen. Kinder sind in der Lage zu wachsen und sollen wachsen; aber nicht alles Wachstum ist gut.

Krebs wird nicht durch IGF-1 verursacht. Krebs wird durch Gifte verursacht, die die Zellbildung verändern. Doch der Tumor braucht IGF-1, um zu wachsen. Der Einfluss von IGF-1 auf natürliche wie auch krankhafte Prozesse, insbesondere Krebs, ist inzwi­schen in vielen Studien nachgewiesen worden 81, 84.

 

Ein Ausblick

In den USA wird seit über 30 Jahren Fleisch hormonbehandelter Rinder gegessen 85. Verwendet werden Wachstumshormone bzw. als solche wirksame Sexualhormone. In der EG, ab 2009 EU, ist der Einsatz von Hormonen in der Rinderzucht seit 1988 unter­sagt – in Österreich schon seit 1975. Auslöser des Verbots war die Erkenntnis, dass das bis dahin auch in Europa verwendete künstliche Hormon DES Krebs verursachen kann. Noch im selben Jahr verbot die Europäische Kommission Importe von hormonhaltigem Fleisch in die EG, während hormonfreies Fleisch weiterhin eingeführt werden durfte 86.

Die USA und Kanada legten allen Ernstes Beschwerde gegen das europäische Einfuhr­verbot von hormonhaltigem Fleisch bei der WTO (kurz für „World Trade Organization“, Welthandelsorganisation) ein; und ein WTO-Gremium erklärte dieses auch als „unver­einbar mit dem Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen“ 86.

Die Europäischen Kommission legte Berufung ein; und das Berufungsorgan der WTO gab ihr am 13. Februar 1998 teilweise recht, indem es Regierungen das Recht ein­räumte, ihren Bürgern aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse ein höheres Schutz­niveau als das den internationalen Normen entsprechende zu gewährleisten 86. Das Berufungsorgan entschied jedoch, dass die Argumente der EG zum Verbot von Wachs­tumshormonen bezüglich der Schädlichkeit ihrer Rückstände im Fleisch nicht spezifisch genug seien. Darauf hin erklärte sich die Kommission am 13. März 1998 zu einer wei­teren Bewertung bereit, um ihren Pflichten gegenüber der WTO nachzukommen.

Zwischenzeitlich wurden jedoch im Rahmen einer unabhängigen Studie bei 12 % der Stichproben von angeblich hormonfreiem amerikanischem Rindfleisch künst­liche Wachstumshormone nachgewiesen. Deshalb beschloss die Kommission am 30. April 1999, die Einfuhr von Rindfleisch und entsprechenden Schlachtnebenerzeug­nissen aus den USA, soweit sie für den menschlichen Verzehr bestimmt wären, auszu­setzen, bis die entsprechenden Kontrollen verstärkt würden 87.

Das Gutachten des Wissenschaftlichen Ausschusses für Veterinärmaß-nahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, ebenfalls vom 30. April 1999, ergab, „dass Wachs­tumshormone in der Tierhaltung die Gesundheit der Verbraucher gefährden können“ 86. Es nennt sechs Wachstumshormone, die verwendet werden - und bei denen es sich durchwegs auch um Sexualhormone oder künstlich hergestellte Varianten davon handelt (Östradiol-17β, Progesteron, Testosteron, Zeranol, Trenbolon-Azetat und Melengestrol-Azetat). Sie „können je nach Fall endrokrine, immunologische, neuro­biologische, immun­toxische, gentoxische, karzinogene und entwicklungsstörende Wirkungen haben“ - das heißt praktisch in jeder Weise giftig sein. „Insbesondere Östra­diol-17β ist uneinge­schränkt als karzinogen zu betrachten. Kinder bis zur Pubertät sind durch diese sechs Substanzen am meisten gefährdet“ (karzinogen: krebserregend).

Die Kommission hielt deshalb ihr Einfuhrverbot für hormonhaltiges Fleisch unverändert bei 86. Sie stellte außerdem fest, „dass die Kontrollen in den Vereinigten Staaten und in Kanada nicht ausreichend sind, um eine missbräuchliche Verwendung von Wachstums­hormonen auszuschließen. Dadurch wird das bereits vorhandene Risiko der Aufnahme dieser Substanzen durch den Verbraucher erhöht.“

Die USA bestritten die Gültigkeit des Gutachtens und beantragten am 17. Mai 1999 bei der WTO Handelssanktionen in Form von Aussetzung der Anwendung von Zollzuge­ständnissen gegenüber der EG für einen Schadenswert von 202 Mio. USD jährlich 86, 88. Ein ähnlicher Antrag wurde von Kanada am 20. Mai 1999 für einen Schadenswert von 75 Mio. CND jährlich gestellt.

Die EG erhob (lediglich) Einspruch gegen die Höhe der von den USA und Kanada beantragten Aussetzung 88. Der Schiedsrichter der WTO legte darauf hin am 12. Juli 1999 „die aufgrund von Zunichtemachung oder Schmälerung entgangenen Beträge“ für die USA auf 116,8 Mio. USD und für Kanada auf 11,3 Mio. CND fest.

Mit Erhebung eines 100%-igen Wertzolls hauptsächlich auf landwirtschaftliche Erzeug­nisse setzten die USA am 29. Juli 1999 die Anwendung der Zollzugeständnisse aus. Am 1. August 1999 führte Kanada ebenfalls 100%-ige Wertzölle insbesondere auf Rinder- und Schweineerzeugnisse ein.

Um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen, bat die Kommission den Wissenschaftlichen Ausschuss um ein neues Gutachten. Der Ausschuss gab ein solches am 3. Mai 2000 ab. Er erklärte darin, dass neuere Berichte keine Änderungen seiner Schlussfolgerungen vom 30. April 1999 erforderten. Die Kommission betrachtete es daher als angemessen, das Verbot zur Verabreichung von Hormonen zur Wachstums­förderung bei der Fleischerzeugung aufrechtzuerhalten.

Vertreter der Europäischen Gemeinschaft und der Vereinigten Staaten unter­zeichneten erst am 12. Mai 2009 ein Vereinbarung, über „eine vorläufige Lösung im jahrelangen Streit über hormonbehandeltes Rindfleisch“ 89. Die Vereinbarung sieht eine Senkung der Strafzölle vor, mit denen die USA europäische Produkte belegt haben, während die EG, nun EU, im Gegenzug „hochwertigem Rindfleisch“ aus den USA den Marktzugang erleichtert. Die Vereinbarung soll in drei Phasen umgesetzt werden.

Phase 1 dauert drei Jahre. Die Vereinigten Staaten behalten die Strafzölle gegen EG-Produkte auf einer geringen Höhe (38 Mio. USD, anstatt 116 Mio. USD) bei … Im Gegenzug zur Zusage der USA, auf diese Sanktionen zu verzichten, eröffnet die EG ein autonomes zollfreies Einfuhrkontingent auf Meistbegünstig-tenbasis für 20.000 t hoch­wertiges Rindfleisch. Dieses Kontingent gilt für Rindfleisch, das allen Einfuhranfor­derungen der EG entsprechen und damit auch hormonfrei sein muss.

Die Vereinbarung sieht vor, dass im vierten Jahr ein Übergang zu Phase 2 möglich ist. Die USA würden dann die noch bestehenden Strafzölle auf EG-Produkte aufheben, während die EG das Einfuhrkontingent für hochwertiges Rindfleisch auf 45.000 t aufstocken würde ...

Ferner enthält die Vereinbarung einen Fahrplan für den WTO-Streit über hormonbe­handeltes Rindfleisch für die Zeit bis zu einer endgültigen Lösung, die in Phase 3 ausgehandelt werden könnte.“

Soviel zum „Hormonstreit“, den die USA und Kanada seit fast 30 Jahren aufrechter­halten – wobei alles, was notwendig wäre, um ihn endlich zu beenden, und was notwen­dig gewesen wäre, um ihn nie zu beginnen, darin besteht, keine Hormone mehr in der Rinderzucht zu verwenden. Doch die USA bestehen nach wie vor darauf, dass Hormone im Fleisch niemandem schaden würden; und „die WTO ist für die Konzerne und gegen die Umwelt“ (Kevin Danahmer 90).

Es sieht also nach weiteren – jedoch ungleich größeren - Problemen aus, wenn nun allerseits Frei­handelsabkommen mit den USA und Kanada angestrebt und als „Chance zu wirt­schaftlichem Wachstum“ verstanden werden.

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Schon die Sumerer, die vor mehr als 5.000 Jahren zwischen Euphrat und Tigris unsere Kultur begründeten, hatten Milch und Käse auf ihrem Speiseplan 37. Homer schwärmte im achten Jahrhundert v. Chr. vom Käse. Die erste uns überlieferte Abhandlung zum Thema Milchverarbeitung stammt von Aristoteles aus dem vierten Jahrhundert v. Chr. Doch Milch und Käse scheinen in diesen Zeiten eher Delikatessen gewesen zu sein – mit Sicherheit keine Grundnahrungsmittel.

Die Kuh als Milchlieferant ist relativ neu. Bis ins hohe Mittelalter stammte die Milch hauptsächlich von Ziegen und Schafen – und insbesondere Ziegenmilch ist weitaus verträglicher. Rinder sind allerdings größer, und Kühe geben die meiste Milch; und so hat sich die Kuh „durchgesetzt“. Der eigentliche Siegeszug der Kuhmilch begann aber erst in den 1950-er Jahren - als man die Werbung engagierte und „Milchbars“ modern waren. Heute macht sie rund 30 % dessen aus, was man im Supermarkt an Lebens­mitteln kaufen kann.

Kuhmilch konnte in großen Mengen erzeugt werden. Viele Bauern stiegen in die Produktion ein. So wurde die Kuhmilch immer billiger – und die Bauern immer ärmer. Viele Bauern haben aufgegeben, viele gehen in die Fabrik und bewirtschaften ihren Hof nebenbei. Wie erbärmlich! Und wie absurd, wenn man bedenkt, was sie zu tun hätten, wenn sie ihre Arbeit tun würden: den Leuten täglich gesunde, frische Lebensmittel liefern!

Kuhmilch ist das Beste für das Kalb, jedoch nicht sonderlich für den menschlichen Verzehr geeignet. Die moderne Milchindustrie aber hat eine giftige Brühe daraus gemacht.

 

Literatur

Lippert, Herbert (2000). Lehrbuch Anatomie. München, Jena: Urban & Fischer, 5. Aufl.

Saloga, J., Klimek, L., Buhl, R. Mann, W. & Knop, J. (2006). Allergologie-Handbuch, Grundlagen und klinische Praxis. Stuttgart: Schattauer.

Wüthrich, Brunello (Hg.) (2001). Nahrungsmittel und Allergie 2. München-Deisen­hofen: Dustri-Verlag, Dr. Karl Feistle

 

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Web-Links

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